Wir entdecken Neuland: der Zukunftswein Souvignier Gris

Obwohl wir in einem Haus leben und arbeiten, in dem seit über 400 Jahren Wein gemacht wird und das genau zu diesem Zweck erbaut wurde, denkt man als Winzer doch vor allem an die Zukunft – angefangen beim Wetterbericht für die nächsten Tage bis hin zum Klima in den kommenden Jahrzehnten. Vielleicht hat das Pastoriushaus auch deswegen die Jahrhunderte überdauert, weil immer Menschen darin lebten, die offen und neugierig in die Zukunft blickten. So wie Hauspatron Franz Daniel Pastorius, der im Frühjahr 1683 mitten in den Vorbereitungen seiner Amerikaauswanderung steckte.

Knapp 350 Jahre nachdem Pastorius seine Reise angetreten hatte, machten auch wir uns auf, Neuland zu entdecken. Nicht ganz so spektakulär im Segelboot, aber so wie Pastorius, der einige Weinreben mit an Bord nahm, hatten auch wir junge Weinpflanzen im Gepäck: In einer unserer besten Lagen, am Kapellenberg in Frickenhausen, setzten wir eine neue Rebsorte: Souvignier Gris – und mit ihm die Segel neu.

Souvignier Gris gilt als Zukunftsrebe. Dabei handelt es sich um Weine, die aus einer robusten Sorte und einem Traditionswein für den vollen Geschmack gekreuzt wurden und den Launen der Natur so besser trotzen können. Farblich und aromatisch ist dieser Weißwein dem Grau- und Weißburgunder ähnlich. Die Reben sind dabei jedoch widerstandsfähiger gegen Pilzkrankheiten, wie Mehltau, die im Extremfall zu ganzen Ernteausfällen am Weinberg führen können. Im Video erklärt Lukas, worauf sich Weinfreunde beim Souvignier Gris geschmacklich freuen dürfen und was es mit dieser noch weitgehend unbekannten Sorte auf sich hat:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Vimeo. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Souvignier Gris-Verkostung mit Lukas: Wie der neue Wein schmeckt und warum er gute Chancen hat, in Franken heimisch zu werden.

Das Geheimnis der PiWis

Die besondere Widerstandsfähigkeit gegen Pilzkrankheiten ist ein Ergebnis klassischer Kreuzung und Züchtung – ein langwieriger und komplexer Prozess, der sich über Jahre zieht, bis eine stabile neue Sorte mit den gewünschten Eigenschaften entsteht. Und so beginnt die Geschichte der jetzt in Mode kommenden PiWi-Weine tatsächlich schon in den 1880er Jahren im Weinland Frankreich. Dort wurden zuerst gezielt pilzwiderstandsfähige Sorten gezüchtet, indem man amerikanische Wildsorten mit etablierten europäischen Weinen kreuzte. Denn dass die europäischen Rebsorten wenig bis kaum natürliche Abwehr gegen echten und falschen Mehltau aufweisen, hängt damit zusammen, dass die Erreger erst im 19. Jahrhundert aus Amerika eingeschleppt wurden. Die amerikanischen Weine konnten also über einen langen Zeitraum hinweg natürliche Resistenzen gegen die Schadpilze entwickeln, während die europäischen Verwandten unbehelligt blieben und somit diese Eigenschaften nicht ausbildeten. Heute experimentiert man bei der Zucht neben amerikanischen auch mit asiatischen Rebsorten, um zusätzlich die Empfindlichkeit gegenüber Frost zu reduzieren. Dass PiWiS so resilient gegen Mehltau und Co sind, wurde also nicht im Labor mit der Genschere herbeigeführt, sondern ist auf die besonderen Eigenschaften ihrer Elternsorten zurückzuführen.

Im Fall von Souvignier Gris hatte man ursprünglich angenommen, dass Cabernet Sauvignon die Muttersorte und Bronner die Vatersorte ist. Im Jahr 2019 stellte sich bei einer Genomanalyse allerdings heraus, dass es sich bei den Elternsorten um den französischen Ur-PiWi Seyval Blanc und Zähringer handelt, die 1983 am staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg gekreuzt wurden.

Warum nicht einfach wieder Silvaner? PiWiS in Franken

Ob Pastorius der Anbau von Wein nach seiner Auswanderung in die Neue Welt gelang, wissen wir nicht genau. Die klimatischen Bedingungen im fernen Pennsylvania sind ja doch ein wenig anders als im Frankenland. Seither ist es in Franken nun noch ein bisschen milder geworden und die Sommer trockener. Dass wir für unsere brachliegende Rebfläche am Kappellenberg 2021 schließlich Souvignier Gris wählten – hier in der Silvanerheimat, wo ansonsten nach wie vor überwiegend Müller-Thurgau und Bacchus angebaut werden – hängt nicht zuletzt auch mit den klimatischen Bedingungen zusammen.

Mit PiWiS, zu denen Souvignier Gris gehört, hatten wir uns schon einige Zeit beschäftigt. Die Lage am Kapellenberg ist trocken und eher karg – Bedingungen, mit denen Zukunftsreben besser zurechtkommen als die meisten Traditionsweine, da PiWis nicht nur resilienter gegen Krankheiten, sondern auch toleranter gegen Trockenheit sind.

Trockenheit ist doppelt gefährlich im Weinberg: Dass Wassermangel jeder Pflanze auf Dauer schadet, ist kein Geheimnis. Einer fühlt sich bei Hitze dagegen besonders wohl: der echte Mehltau. Dem “Schönwetterpilz” genügt nur ein wenig Morgentau, ansonsten kommt er mit Trockenheit sehr gut zurecht. Da er ganze Ernten zunichtemachen kann, wird er von Winzern wie von Hobbygärtnern gefürchtet. Neben Reblaus und falschem Mehltau zählt der echte Mehltau zu den Hauptkrankheiten im Weinbau. Anhaltende Trockenperioden sind daher besonders kritisch. Die Reben sind durch den Trockenstress ohnehin schon geschwächt und ihre natürliche Abwehr kann dem Erreger, der in der Hitze zu Topform aufläuft, nur noch wenig entgegensetzen.

Gefleckte, vertrocknete Blätter, dürre Äste und Beeren, die mit einem weißlichen Überzug bedeckt sind, klein bleiben und reißen oder an der Rebe vertrocknen – echter und falscher Mehltau gehören zu den am häufigsten vorkommenden und gefährlichsten Pflanzenkrankheiten im Weinberg, die eine ganze Ernte zunichtemachen können.

Mit der Natur, nicht gegen sie

Lässt man die letzten Sommer einmal Revue passieren, so könnte man aus Winzersicht wohl zusammenfassen: warm, mit Aussicht auf Mehltau. Denn während der echte Mehltau eher bei Trockenheit vorkommt, macht es sich der falsche Mehltau bei unbeständigem Wetter gemütlich. Beides kam in den vergangenen Jahren zur Genüge vor. Oftmals werden gegen diese Pilzkrankheiten daher schon vorsorglich Pflanzenschutzmittel im Weinberg ausgebracht – gerade bei empfindlichen Rebsorten.

Wenn man den Wind nicht ändern kann, muss man die Segel anders setzen.

Aristoteles

Was also tun, wenn die Sommer nun immer trockener werden? Bewässern und spritzen? Oder mal etwas Neues ausprobieren? Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften kann bei PiWiS der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um bis zu 80 % verringert werden. Das alleine ist aus ökologischer Sicht schon sinnvoll, bringt aber noch den zusätzlichen Vorteil, dass der Traktor damit öfter auf dem Hof stehen bleibt. Das spart zum einen CO2. Zum anderen atmet aber auch der Boden auf, wenn die schweren Maschinen seltener fahren. Die Erde wird weniger verdichtet und kann das Wasser besser halten, selbst wenn es für längere Zeit einmal nicht regnet. Mit der Aussicht, dass die klimatischen Bedingungen der kommenden Jahrzehnte herausfordernd für den Weinbau bleiben, werden PiWi-Weine also wohl zurecht als Zukunftsreben gehandelt.

Der erste Jahrgang - unser 2023er Souvignier Gris

Drei Jahre nachdem wir die Reben am Kapellenberg gesetzt haben, ist nun im Frühjahr 2024 der erste Jahrgang abgefüllt: Unser Souvignier Gris ist zart hellgelb im Glas und duftig in der Nase. Er überrascht mit einer spannenden Aromenvielfalt, die Noten von reifen, gelben Früchten mit einer angenehmen Nussigkeit verbindet. Als Menübegleiter eignet sich der 23er Souvignier Gris hervorragend für die leichte Küche – mit seinen exotischen Fruchtnoten, die an Mango, Maracuja und Orange erinnern, ist er der perfekte Begleiter zu Fisch, Geflügel, gegrilltem Gemüse und Sommersalaten.

Mit der ersten Ernte sind wir sehr zufrieden. Die neue Rebsorte hält, was sie verspricht: robuste Reben, die unkompliziert im Anbau sind und dabei trotzdem zu Spitzenweinen ausgebaut werden können. Die Reise geht weiter – so viel gibt es in der neuen (Aromen-)Welt noch zu entdecken! – und wir freuen uns, die Segel gesetzt zu haben: Souvignier Gris wird den künftigen Weinbau in unserem Weingut nachhaltig prägen.

Bereit für neue Aromenwelten?

Vielfältig, tiefgründig, aufregend! Leichte Exotik trifft auf feine Nussigkeit: Das ist der 23er Souvignier Gris.